Im Sozialausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags wurde der Abschlussbericht zu den Medikamentenversuchen von 1949-1975 vorgestellt. In den psychiatrischen Einrichtungen in Schleswig ,Hesterberg, Stadtfeld und in Kropp mussten Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene unfassbares ertragen. Dazu erklärt die SPD – Landtagsabgeordnete Birte Pauls:
„Der Bericht im Sozialausschuss macht mich betroffen und fassungslos. Die Schilderungen von Prof. Dr. Cornelius Borck und Dr. Christof Beyer bestätigen die bundesweiten Erkenntnisse, dass auch in Schleswig-Holstein die Verabreichung von Psychopharmaka zu Versuchszwecken in den untersuchten Einrichtungen eine kaum hinterfragte Praxis war. Kinder und Jugendliche wurden systematisch körperlich und seelisch missbraucht und entmündigt. Leider auch im Kreis Schleswig-Flensburg, z.B. in der damaligen Psychiatrie am Hesterberg, auf dem Stadtfeld und in der Diakonie Kropp. Die Rolle, die die damaligen Ärzte und Pflegepersonal eingenommen haben, entsprach in keinster Weise den fachlichen Ansprüchen an Fürsorge und Nichtschadensprinzip. Mindestens ein Todesfall wurde durch die Untersuchungen aufgedeckt. Und das unter staatlicher Verantwortung. Die Kontroll- und Fürsorgepflicht des Landes wurde in höchstem Maße verletzt und das Land hat damals auf ganzer Linie versagt.
Es macht mich fassungslos, dass der damalige Landtag und somit die Politik des Landes über die Geschehnisse informiert war, aber nicht eingegriffen hat. Wir müssen dafür die Verantwortung übernehmen. Wir können den betroffenen Menschen Ihre Kindheit und Jugend , ein belastetes Leben nicht rückgängig machen. Aber wir können Verantwortung übernehmen. Die Aufarbeitung darf hier nicht enden. Individuelle Hilfsangebote auch im Falle von Alter und Pflegebedürftigkeit oder finanzielle Hilfen für die Opfer, z.B. durch eine Rente, könnten nicht gutmachen was geschehen ist, aber es könnte ein Schritt der Verantwortung sein. Nach der kürzlich einstimmig getroffenen Entscheidung der demokratischen Parteien des Landtags stellt Schleswig-Holstein in einem Hilfsfonds zusätzlich 6,2 Millionen Euro bereit, um Betroffenen die Leistungen der Stiftung Anerkennung und Hilfe auch nach dem Ende der Antragsfrist über den 30.6.2021 hinaus gewähren zu können. Ich würde mir sehr wünschen , wenn die Einrichtungen helfen, dass alle Betroffenen diese Gelder beantragen können. Verantwortlich ist jedoch nicht nur die Politik, auch die Pharmaindustrie und die Kirche müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie waren im gleichen Maße beteiligt und müssen ebenso Wiedergutmachung an den Opfern leisten.
Ich werde mich weiterhin für die Opfer der Verbrechen einsetzen und unermüdliche Aufklärer wie Alfred Koltermann und Günter Wulf bei Ihren Aktivitäten unterstützen.“